Die Atmung ist ein natürlicher, automatischer Prozess, der für das Leben unerlässlich ist. Wenn wir jedoch mit Angst oder Panik konfrontiert sind, kann unsere Atmung flach und schnell werden, was zu noch mehr Angst und Unbehagen führt.
Zum Glück gibt es eine Reihe von Atemtechniken, die uns helfen können, unseren Geist und Körper zu beruhigen und den negativen Auswirkungen von Angst und Panik entgegenzuwirken.
In diesem Artikel gehen wir auf die Wissenschaft hinter 8 Techniken ein und geben praktische Tipps, wie du sie in deinen Alltag einbauen kannst.
Ganz gleich, ob du mit einer bestimmten Phobie zu kämpfen hast oder einfach nur nach einer Möglichkeit suchst, Stress und Angst zu bewältigen, diese Atemtechniken können ein wirksames Mittel sein, um Entspannung und Wohlbefinden zu fördern.
Tiefes Einatmen hat nicht immer eine beruhigende Wirkung auf uns. Denn tiefes Einatmen kann den Sympathikus (sympathisches Nervensystem) stimulieren, der die Kampf-oder-Flucht-Reaktion steuert. Ausatmen steht dagegen mit dem Parasympathikus (parasympathisches Nervensystem) in Verbindung. Es hat zentralen Einfluss auf die Fähigkeit unseres Körpers, sich zu entspannen und zu beruhigen.
Wenn wir zu schnell zu oft tief ein- und ausatmen, kann das zu Hyperventilation führen. Hyperventilation verringert die Menge an sauerstoffreichem Blut, das zu unserem Gehirn fließt.
Gerade wenn wir uns ängstlich, panisch oder gestresst fühlen, kann es uns deshalb schnell passieren, dass wir zu viel atmen. Am Ende hyperventilieren wir, obwohl wir das Gegenteilige erreichen wollten. Was wir dagegen tun können:
Versucht, vollständig auszuatmen, statt besonders tief einzuatmen. Presst die gesamte Luft aus eurer Lunge und atmet im Anschluss ganz normal ein. Lasst beim Einatmen eure Lunge einfach ihre Arbeit machen.
Versucht als nächstes, ein wenig länger auszuatmen als einzuatmen. Probiert beispielsweise, vier Sekunden lang einzuatmen und dann sechs Sekunden lang auszuatmen.
Atmet für 2 bis 5 Minuten auf diese Art und Weise.
Diese Atemtechnik kann in jeder Position durchgeführt werden, egal ob stehend, sitzend oder liegend. Wählt einfach eine für euch bequeme Position.
2. Bauchatmung
Die Bauchatmung wird auch Zwerchfellatmung genannt. Sie ist benannt nach dem Muskel, der direkt unter der Lunge sitzt. Sie kann uns dabei helfen, die Arbeit zu reduzieren, die unser Körper für unser Atmen leisten muss.
Es macht Sinn, einige Vorbereitungen zu treffen, bevor wir das Bauchatmen selbst üben:
Um es bequem zu haben, legt euch auf den Boden oder ins Bett mit Kissen unter eurem Kopf und unter euren Knien. Alternativ könnt ihr euch mit gebeugten Knien auf einen bequemen Stuhl setzen. Entspannt dabei Kopf, Nacken und Schultern.
Legt eine Hand unter euren Brustkorb und eine Hand über euer Herz.
Atmet durch die Nase ein und aus und achtet darauf, wie sich euer Bauch und euer Brustkorb beim Atmen bewegen.
Versucht zunächst, euren Atem bewusst so zu steuern, dass euer Bauch sich so wenig bewegt wie möglich, so dass sich fast ausschließlich euer Brustkorb weitet und zusammenzieht. Das ist Brustatmung. Dann versucht das Gegenteil. Atmet tief in euren Bauchraum, während euer Brustkorb sich möglichst wenig bewegt. Das ist Bauchatmung.
Darauf aufbauend lässt Bauchatmung sich folgendermaßen üben:
Legt oder setzt euch wie oben beschrieben hin.
Legt eine Hand auf eure Brust und eine auf euren Bauch, irgendwo über eurem Bauchnabel.
Atmet durch die Nase ein. Nehmt wahr, wie sich euer Bauch hebt. Euer Brustkorb sollte dabei möglichst ruhig und unbewegt bleiben.
Schürzt eure Lippen und atmet durch den Mund aus. Spannt eure Bauchmuskeln an, um die Luft am Ende des Atemzuges hinauszupressen.
Wenn ihr diese Art zu atmen verinnerlichen und automatisieren wollt, übt idealerweise 3 oder 4mal am Tag für bis zu 10 Minuten.
Wenn ihr bisher selten aus dem Bauch geatmet habt, ist euer Zwerchfell die Belastung zunächst nicht gewohnt. Keine Sorge, falls die Umgewöhnung deshalb anfangs schwerfällt. Mit etwas Übung wird es deutlicheinfacher.
3. Fokussierte Atmung
Tiefe Atmung kann, wenn sie langsam und fokussiert ausgeführt wird, dabei helfen, Ängste und Panik zu reduzieren. Legt oder setzt auch dafür an einen ruhigen und bequemen Ort. Dann geht durch die folgenden Schritten:
Nehmt wahr, wie es sich anfühlt, wenn ihr normal atmet. Scant gedanklich euren Körper. Vielleicht bemerkt ihr Anspannung in eurem Körper, die ihr bisher nie wahrgenommen hattet.
Atmet langsam und tief durch die Nase ein.
Nehmt wahr, wie sich euer Bauch und euer Oberkörper dabei ausdehnen.
Atmet so aus, wie es für euch am angenehmsten ist. Seufzt dabei, wenn sich das richtig anfühlt.
Wiederholt das für mehrere Minuten. Legt euren Fokus dabei auf das sich wiederholende Heben und Senken eures Bauchs.
Wahlweise kann diese Atemtechnik durch ein Mantra ergänzt werden:
Wählt ein positives, euch beruhigendes Wort, das ihr während des Ausatmens sprecht. Worte wie „sicher“, „ruhig“ oder „entspannt“ können effektiv sein.
Stellt euch vor, dass das Einatmen euch wie eine sanfte Welle umspült.
Stellt euch vor, dass das Ausatmen negative und belastende Gedanken und Gefühle von euch abwäscht.
Wenn ihr abgelenkt werdet, bringt eure Aufmerksamkeit sanft zurück zu eurem Atem und dem positiven Wort, dass ihr immer wieder aussprecht.
Bei dieser Atemtechnik wird typischerweise ein meditativer Zustand erreicht. Übungszeiten von bis zu 20min am Tag gelten als üblich.
4. Gleichmäßige Atmung
Bei der gleichmäßigen Atmung sind alle Teile der Atmung - Einatmung, Ausatmung und Atemanhaltung - gleich lang.
Ihr könnte die gleichmäßige Atmung im Sitzen oder im Liegen üben. Unabhängig davon welche Position ihrwählt, sorgt dafür, dass ihr es bequem habt.
Schließt eure Augen. Atmet ganz normal. Achtet für einige Atemzüge auf eure gewöhnliche Atmung.
Zählt langsam 1-2-3, während ihr durch eure Nase einatmet.
Zählt wiederum 1-2-3, während ihr den Atem in euch haltet.
Zählt dann 1-2-3, während ihr durch eure Nase ausatmet.
Zählt letztlich noch einmal 1-2-3, nachdem ihr ausgeatmet habt und bevor ihr wieder einatmet.
Wiederholt die Schritte 2 bis 5. Legt euren Fokus während der gesamten Zeit auf das wechselnde Gefühl der Fülle und Leere in eurer Lunge.
Ihr könnte mit der Atemdauer variieren. Stellt allerdings sicher, dass alle Teile der Atmung gleich lang bleiben.
5. Resonante Atmung
Resonante Atmung, auch kohärentes Atmen genannt, kann ebenfalls dabei helfen, Ängste zu lindern und einen entspannten Zustand zu erreichen. Hier eine Kurzanleitung:
Legt euch hin und schließt eure Augen.
Atmet sanft durch die Nase ein und zählt dabei bis 6. Füllt eure Lunge dabei nicht zu voll mit Luft.
Atmet im Anschluss, ohne dazwischen innezuhalten, auch 6 Sekunden lang wieder aus. Erlaubt es eurem Atem, euch langsam und sanft zu verlassen. Lasst dabei einfach los und erzwingt nichts.
Wiederholt die Schritte 2 und 3.
Übt für 5 bis 10 Minuten am Stück. Ihr könnt auch hier mit der Atemdauer variieren. Achtet dabei darauf, dass ihr gleichlang ein- und ausatmet und dazwischen nicht innehaltet.
6. Löwenatmung
Die Besonderheit dieser Methode liegt im kräftigen Ausatmen. So könnt ihr sie ausprobieren:
Nehmt eine bequeme sitzenden Position ein.
Lehnt euch leicht nach vorne und stützt eure Hände auf euren Knien oder dem Boden ab.
Spreizt eure Finger so weit wie möglich.
Atmet durch die Nase ein.
Öffnet euren Mund so weit wie möglich und streckt eure Zunge so weit zu eurem Kinn hinaus, wie ihr könnt.
Atmet kräftig aus und macht dabei einen „ha“ Laut, der tief aus dem Bauch kommt. Konzentriert euch dabei auf die Mitte eurer Stirn oder auf die Spitze eurer Nase.
Wiederholt die Löwenatmung bis zu 7mal. Ihr könnt dazwischen immer wieder einige normale Atemzüge nehmen.
7. Wechselatmung
Bei der Wechselatmung atmet ihr durch ein Nasenloch ein, haltet den Atem an, dann atmet ihr durch das andere Nasenloch wieder aus. Das Ganze geschieht im zeitlichen Verhältnis von 1:4:2.
Hier ein typischer Ablauf:
Setzt euch aufrecht hin und öffnet euren Brustkorb.
Haltet euer rechtes Nasenloch mit eurem rechten Daumen zu und atmet langsam durch das linke ein. Zählt dabei bis 4.
Haltet beide Nasenlöcher zu, um den Atem anzuhalten. Zählt dabei bis 16.
Haltet nun das linke Nasenloch geschlossen und atmet durch das rechte Nasenloch aus. Zählt dabei bis 8.
Haltet das linke Nasenloch weiterhin zu. Atmet durch das rechte wieder ein. Zählt dabei bis 4.
Haltet wieder beide Nasenlöcher zu, um den Atem anzuhalten. Zählt dabei bis 16.
Haltet nun das rechte Nasenloch geschlossen und atmet durch das linke Nasenloch aus. Zählt dabei bis 8.
Wiederholt diesen Zyklus bis zu 10mal.
Es kann durchaus sein, dass es anfangs schwerfällt, 16 Sekunden die Luft anzuhalten und danach 8 Sekunden auszuatmen, während ihr nur für 4 Sekunden einatmet. Startet in diesem Fall mit 2 Sekunden einatmen, 8 Sekunden anhalten und 4 Sekunden ausatmen.
8. Geführte Meditation
Viele Menschen nutzen geführte Meditation dafür, ihre Ängste zu lindern. Denn durch Meditation lassen sich Denkmuster unterbrechen, die Stress auslösen und Ängste triggern. Atmung spielt in der Meditation eine zentrale Rolle.
Wenn ihr unter Angst oder Panikattacken leidet, probiert eine oder mehrere der hier vorgestellten Atemtechniken aus. Viele Menschen können damit ihre Symptome lindern.
Wenn eure Angst bestehen bleibt oder sich sogar verschlimmert, dann wendet euch an einen qualifizierten Arzt, um eure Symptome und mögliche Behandlungen zu besprechen. Mit dem richtigen Ansatz könnt ihr in vielen Fällen Kontrolle über eure Ängste erlangen und eure Lebensqualität drastisch erhöhen.
David ist Researcher bei Wild Garden. Er hat einen Hintergrund in Psychologie und Sportwissenschaften und zuletzt freiberuflich als Coach gearbeitet. Hier schreibt er hauptsächlich über Themen rund um Gesundheit, Fitness und persönliche Weiterentwicklung.